Abfahrt in Gröden - Ärzte sind in Alarmbereitschaft

Pressebericht aus dem Jahr 1990

Herzstillstand

Die Erleichterung war groß, als die Ärzte in Bozen am 16. Dezember 1989 folgendes Bulletin herausgaben: „Der Italiener Giorgio Pantanida hatte einen Herzstillstand, die Wiederbelebungsversuche hatten nach 15 Minuten Erfolg. Es geht ihm, trotz der Brüche von drei Rippen und der rechten Schulter, den Umständen entsprechend gut“.

Augenzeugen neben der Piste wollten noch wenige Stunden zuvor einen Genickbruch diagnostiziert haben – so furchtbar hatte der Sturz ausgesehen.

Sprung über die Kamelbuckel

Der Sprung über die Kamelbuckel auf der Abfahrt von Gröden – nicht ohne Grund stehen die Trainer mit ihren Stoppuhren an dieser Schlüsselstelle des Rennens, an der man allerdings mehr verlieren kann als nur Zeit. Spitzenfahrer wie Tauscher aus Oberstdorf („Lieber auf Platz 30 als im Krankenhaus“) oder Marc Giradelli (Luxemburg) machen keinen Hehl aus ihrer Angst – und fahren drumherum. Auch wenn man auf dieser „Nasenbohrerlinie“ (wie die Österreicher spotten) leicht eine halbe Sekunde verliert.

Die Sturzopfer in der 20-jährigen Geschichte der Salslong Abfahrt:

1978: Werner Grismann (Österreich), Dave Irwine (Der Kanadier wird am Kopf verletzt und ist besinnungslos).

1980: Der Österreicher Anton Steiner stürzt auf den Rücken, spuckt Blut, droht zu ersticken. Er wird in eine Spezialklinik nach Innsbruck gebracht. Diagnose: Schulterbruch und Gehirnverletzungen.

1982: Robin McLeish (Kanada) bricht sich im Zielraum mehrere Rippen, eine dringt in die Lunge ein – er kommt mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus Brixen.

1984: Walter Hölzler (Oberstaufen) prallt gegen einen Zielpfosten. Bewusstlos wird er mit einem Schädel-Gehirntrauma ins Krankenhaus Bozen geflogen. Erwin Resch (Österreich): Sturz nach dem Start – Muskelfaserriss im Oberschenkel.

1985: Craig Soubeer (USA) bricht sich den sechsten Nackenwirbel.

1986: Bill Johnson (USA) stürzt beim Abschlusstraining. Die Diagnose für den Olympiasieger von 1984: Kreuz- und Seitenbandrisse, Schulterbruch, Gehirnerschütterung.

1989: Piantanida (Italien), Landsmann Michael Mair (Kreuzbandriss im linken Knie); Österreichs Gerhard Pfaffenbichler (Bänderriss); der Schweizer Peter Müller (Knochenausriss), der Österreicher Peter Wirnsberger II (Kreuzbänder und Meniskusverletzungen).

Sicher zählt die Strecke zu den schweren

Erich Demetz, Gesamtchef des Weltcups und Einheimischer, wehrt sich gegen das Negativbild, das der Grödner Abfahrt aufgedrückt wird. „Sicher zählt die Strecke zu den ganz schweren. Aber das hängt auch immer von der Schnee-Situation ab. Im vergangenen Jahr, mit einer Schneeauflage von nur 5 Zentimetern, war es besonders schlimm. Aber es hat auch schon Jahre gegeben. 1988 zum Beispiel, da haben die Ski-Asse über eine leichte Abfahrt geklagt, weil die Kamelbuckel im Schnee verschwunden waren.“ Um den guten Ruf zu wahren, haben die Grödner die Abfahrt im Sommer entschärft und die Buckel unter Aufsicht der FIS „ummodelliert“, indem sie zwei Buckel um sechs Meter talwärts verschoben haben. Demetz: „Das bringt zwei Vorteile. Erstens haben die Läufer nun zwischen dem ersten und dem zweiten Sprung mehr Zeit, um sich zu konzentrieren. Zweitens ist der zweite Sprung nur noch maximal 40 Meter lang. Jetzt kann’s jeder packen.“ Ärzte und Sanitäter in den umliegenden Krankenhäusern glauben nicht an schöne Worte – sie haben Alarmbereitschaft.

Pit Pfeiler