Kletter-Schätze im Yosemite Valley
Wenn Kletterer von Big Walls im Yosemite Valley sprechen, meinen sie meist weltbekannte Kletterwege wie die „Nose“, die „Salathe“ „The Shield“ am El Cap oder die „Regular Northwestface“ am Half Dome. Wer aber länger oder mehrmals im Yosemite Valley verweilt, findet noch andere teils verborgene Kletter-Schätze im bekanntesten Tal der amerikanischen Kletterszene.
Die schönste Reibungskletterei der Welt
So machte ich mich mit Lena bei meinem letzten Yosemite Aufenthalt zu einem Berg auf, den die meisten Besucher oft gar nicht wahr nehmen. Den North Dome. Man entdeckt ihn am linken oberen Ende des Tales, genau gegenüber der Half Dome Nordwestwand. Seine Form gleicht einem überdimensionalen, mit Vanillesoße überzogenen Germknödel (Österreichische Süßspeise), welcher zu Stein geworden ist.
Relativ selten nehmen Kletterer den langen und zum Teil beschwerlichen Weg auf sich, um eine der schönsten Reibungsklettereien der Welt in Angriff nehmen zu können. Die Crest Jewel…
Colin Haley
Mitte Oktober war es um halb sechs Uhr morgens noch stockdunkel, als ich unseren Kletter-Freund Colin Haley im legendären Camp 4 aufweckte und ihn bat, Lena und mich, wie vereinbart, mit seinem alten Ford zum Ahwahnee Hotel zu fahren. Bereits am Vorabend machten wir den Deal mit dem Lockangebot eines „German-Grillevening“ incl. Freibier nach unserer Klettertour fix.
Zwischen absturzbereiten Felsblöcken
Ab hier ging es zu Fuß unter dem Washington Column hindurch, bis uns ein steiler Pfad links über kurze Felsaufschwünge zu einer großen freien Fläche führte. Für den Weiterweg war nun Spürsinn gefragt. Zwischen absturzbereiten Felsblöcken und umgefallene Bäumen steuerten wir unter die Südwand des North Dome. Ein anstrengendes Unterfangen, da mehrere Meter hohe Felsbänder uns des Öfteren den Weg versperrten.
Rückzugsgebiet von Klapperschlangen
Endlich am Wandfuß angelangt, war das Vor- und Zurück-Spiel noch nicht zu Ende. Denn in der riesigen, sich vor uns aufbäumenden Plattenflucht konnten wir nirgends einen Hinweis auf eine bekannte Kletterroute finden. Weder Spuren noch Haken waren zu sehen. Immer wieder mussten wir durch unangenehmes und dichtes Gestrüpp kriechen, welches ein beliebtes Rückzugsgebiet für Klapperschlangen ist. Zweimal, als ein lautes und aggressives „Zisch-Geräusch“ unter einem sonnigen Stein ertönte, erschrak ich zu Tode. Denn was das bedeuten kann, erlebte ich nur wenige Tage zuvor am Wandfuß der El Capitan, als sich wenige Meter vor mir eine riesige Schlange vom Waldboden aufbäumte und mir drohte…
4 Zwischenhaken auf 40 Metern
Endlich, nach vielen Umwegen konnten wir doch noch den Steinmann, der den Einstieg markiert, ausmachen. Wir standen vor einer grandiosen, sich langsam aufsteilenden Granitflucht, die so gut wie keine erkennbare Struktur aufwies. Ein einzelner Bohrhaken in 15 Metern Höhe signalisierte den ungefähren Kletterweg. Dass diese schier glatt polierte Platte nur im unteren sechsten Schwierigkeitsgrad zu überwinden ist, hätte ich bezweifelt, wenn ich neu im Yosemite Valley gewesen wäre. Doch nach einigen Routen weiß man, dass der Schwierigkeitsgrad hier nicht unbedingt mit einer plaisier Einstufung zu vergleichen ist. Bei 4 Zwischenhaken auf 40 Metern, mit einem „R“ (Run out-gefährlicher Hakenabstand) im Führer beschrieben, sollte man der Sache gewachsen sein.
Einfach laufen und nicht stehen bleiben
Wenn man sich dann einmal für das Klettern entschieden hat, gibt es kein Zurück mehr. Einfach laufen und nicht stehen bleiben, lautet die Devise. Solange man den Druck zwischen Gummisohle und Fels spürt, klebt der Schuh auf den mikrofeinen Quarzkristallen. Nur wer angstvoll zögert und auf der Stelle stehen bleibt, vergrößert mit Händen und Füßen die Auflagefläche. Das verringert den Reibungswiderstand und führt unweigerlich zum Abrutschen der Schuhe.
An kleinsten Leisten und Dellen
Glücklicherweise erwies sich die Schlüsselstelle (5.10d/7+) als recht human gesichert, somit lag die Konzentration mehr auf der Technik. An kleinsten Leisten und Dellen schiebt man sich unter ein kleines Dach, welches mit interessanten Zügen überwunden wird. Danach folgt eine Traumseillänge nach der anderen. Ein „Spaziergang auf leisen Sohlen“ bei dem man hofft, dass er niemals zu Ende geht…
Ein erhabenes Gefühl
Nach der mehrstündigen und völlig abgeschiedenen Kletterei mussten wir am Gipfelplateau erstaunt feststellen, dass wir doch nicht alleine sind. Typisch amerikanische Sightseeing Touristen empfingen uns mit ihren Fotoapparaten. Diese erreichten den höchsten Punkt über den“North-Trail“, der von einer Straße bequem herauf führt. Etwas enttäuscht suchten wir uns ein abgelegenes Plätzchen, um endlich das erhabene Gefühl eines glücklichen Kletterpaares nach dieser Traumtour alleine genießen zu können.
Wer sich hier verläuft, hat ein Problem
Der Abstieg wurde wiederum spannend und abenteuerlich. Unsere Hoffnung, auf einen „Normalweg“ zu stoßen, mussten wir schnell begraben. Denn außer ein paar Steinmännern zwischen Bäumen und Gestrüpp, gab es keine Hinweise auf Begehungsspuren. Dies bestätigte dann auch die Vermutung, dass hier oben verhältnismäßig selten geklettert wird. Flotten Schrittes versuchten wir den Weg des geringsten Widerstandes zu finden, um noch vor Einbruch der Dunkelheit die Felsabbrüche des Washington Column zu erreichen. Diese Passage kann nur bei Tageslicht abgeklettert werden. Hätten wir das nicht geschafft, wären uns ein sehr kaltes Freiluftbiwak bevorgestanden. Doch wir hatten Glück und Spürsinn. Mit wenigen Umwegen und ohne weiteren Klapperschlangen Kontakt erreichten wir vor Einbruch der Dunkelheit, das Camp 4. Ein langer Tag ging zu Ende, der mit dem Namen der Route nicht besser zu beschreiben ist: „Kronjuwel“
Fazit:
Der abenteuerliche Weg zum Einstieg, sowie der bombenfeste Fels mit genialer Routenführung machen die Route „Crest Jewel – Direkt“ zur schönsten Reibungskletterei, die ich kenne.
Wer sich im 7. Schwierigkeitsgrad, auf glatten Granitplatten und ein paar Meter über dem Haken wohlfühlt, findet hier ein unvergessliches Freikletter-Erlebnis.
Routeninfos: HIER
- Yosemite Valley
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- North Dome
- North Dome
- North Dome
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